Freiheit für Königsberg

Wird aus Kaliningrad wieder Königsberg?


Als sich im Verlauf des Jahres 1991 der Zerfall der Sowjetunion abzeichnete, besannen sich etliche russische Städte ihres historischen Namens, den sie in der Folge der kommunistischen Oktober-Revolution von 1917 verloren hatten, und betrieben erfolgreich die Rückbenennung. Herausragendstes Beispiel: Aus Leningrad wurde wieder St. Petersburg. Aber auch andere Städte folgten: Swerdlowsk (seit 1924) wurde wieder Jekaterinburg und Gorki (seit 1932) wieder Nishnij Nowgorod. Bereits im Jahr zuvor (1990) hatte Kuibyschew (seit 1935) seinen alten Namen Samara angenommen, und Kalinin (seit 1931) kehrte erneut zur historischen Bezeichnung Twer zurück. Nicht so hingegen Kaliningrad, die alte ostpreußische Hauptstadt Königsberg, die 1946 nach dem verstorbenen sowjetischen Staatsoberhaupt Michail Kalinin, einem engen Gefolgsmann Stalins, benannt worden war.

Obwohl es nach 1991 zahlreiche Versuche gab, der Stadt ihren früheren Namen zurückzugeben, scheiterten sie zumeist am Einspruch Moskaus mit der Begründung, vorerst solle es in Rußland keine Umbenennungen von Städten mehr geben. Doch dahinter verbarg sich mehr: Königsberg gehörte eben nie zu Russland, sondern war eine Stadt des „faschistischen Feindes“, die man mit viel Blut besiegt hatte. Deshalb sind es auch vor allem die Veteranen, die sich bis heute gegen die Umbenennung wehren, sehen sie sich darin doch um ihren „Lohn“ gebracht, abgesehen davon, dass sie eine solche Maßnahme als eine weitere „Germanisierungstendenz“ ablehnen, die sie seit der Öffnung des Kaliningrader Gebietes (1991) überall zu wittern glauben. Unterstützt werden sie in ihrem Bestreben im übrigen von der Kommunistischen Partei.

Aber die Tage der letzten Veteranen sind gezählt, und das weiß auch der neue Gebietsgouverneur Nikolaj Zukanow, der sich nicht mehr unbedingt gegen eine Rückkehr der Stadt zu ihrem historischen Namen sträuben will, wie er vor kurzem vorsichtig andeutete. Treibende Kräfte sind in letzter Zeit aber insbesondere die Orthodoxe Kirche, die unlängst eine „baldige Abkehr von der Benennung nach dem ‚Erzverbrecher’ Kalinin“ verlangte und die sich darum bemüht, den Grund und Boden vor dem Hauptbahnhof der Stadt, wo die Statue Kalinins steht, aufzukaufen, um diese dann schnellstmöglich zu entfernen und an ihrer Stelle eine Kapelle zu errichten. Aber auch die jungen russischen Intellektuellen vor Ort, Akademiker und Studenten, setzen sich seit langem nachhaltig dafür ein, dass die Stadt ihren alten Namen Königsberg zurückerhält. Unter anderem demonstrieren sie das dadurch, dass sie ihre Autos mit Königsberg-Aufklebern oder entsprechenden zusätzlichen Schriftzügen an den Nummernschildern versehen. Und wenn das alles immer noch nicht überzeugen sollte, dann wird – wie schon 2005 bei den 750-Jahr-Feierlichkeiten der Stadt – gerne darauf hingewiesen, dass Königsberg bereits im Siebenjährigen Krieg (1756-1763) fast fünf Jahre lang eine russische Stadt war, besetzt von den Truppen der seinerzeitigen Zarin Elisabeth, nach deren Willen dies keineswegs nur eine Okkupation, sondern eine Annexion sein sollte. Außerdem wurde die ostpreußische Hauptstadt Anfang 1813 durch russische Truppen von der napoleonischen Herrschaft befreit, womit nach Ansicht etlicher Russen Gründe genug vorliegen, um der Stadt ihren alten Namen wiederzugeben, da diese sich ja zumindest für einige Zeit in russischem Besitz befand und dabei dennoch den deutschen Namen Königsberg beibehielt…

Wolfgang Reith

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