Freiheit für Königsberg

"Kantgrad", "Knjaschgrad" oder "Königsberg"?

Als Reaktion auf eine Unterschriftensammlung für eine Rückbenennung gibt die Gebietsduma eine Umfrage in Auftrag
Immer einmal wird in Ostpreußen öffentlich über eine Rück­benennung der Hauptstadt in Königsberg diskutiert. In der Regel geht dies mit Streitereien, Populismus und Spekulationen über historisches Gedenken und Werte einher. Diesmal nun ist der Kreis derjenigen, die sich an der Diskussion beteiligen, unerwartet groß. Nicht nur Vertreter kleinerer gesellschaftlicher Gruppen sind aktiv, sondern auch Politiker. Die aktuelle Diskussion ist durch die Bürgerinitiative von Rustam Wassiljew ausgelöst. Sie hat eine Unterschriftensammlung für die Rückbenennung durchgeführt. Die Liste mit 400 Unterschriften reichte sie bei der Gebietsduma ein.
Zwar zeigten viele Abgeordnete Bereitschaft, sich an der Diskussion zu beteiligen, aber die Duma hat bis jetzt nicht über die Petition entschieden, jedoch immerhin eine Umfrage in Auftrag gegeben. Auf der Grundlage des Gesetzes der Russischen Föderation vom 10. Juli vergangenen Jahres über „Die Ordnung zur Umbenennung geographischer Objekte und Subjekte in der Russischen Föderation“ wurde eine entsprechende Arbeitsgruppe gebildet, deren Aufgabe es ist, die Meinung der Bürger zu ermitteln.
Neben dem geschichtlichen und kulturellen Teil der Diskussion stellt sich auch die rein wirtschaftliche Kostenfrage, die eine Umbenennung zur Folge hätte. Mit schätzungsweise einer Million Euro würde die Umbenennung den Haushalt belasten und auch auf die Bürger kämen Kosten für die Neuanfertigung von Dokumenten zu.
Politiker haben bei Diskussionen über eine Umbenennung stets die Veteranenverbände im Blick, die dagegen sind. Allerdings gibt es auch bei der älteren Generation unterschiedliche Ansichten. Der Kosmonaut Alexej Leonow, zweifacher Held der Sowjetunion, ist ein Befürworter: „Ich bin für die Umbenennung. Es ist längst Zeit. Königsberg, das ist keine faschistische Stadt, ihr Name hat überhaupt keine Beziehung zum Nationalsozialismus“, sagte Leonow. „Es ist eine Stadt der Wissenschaft, der Studenten und des Friedens. Eine Königsstadt! Albert, ein würdiger Mann, hat die Universität in Königsberg gegründet. Eine der ältesten Universitäten in Europa.“ Während Ex-Gouverneur Georgij Boos und der designierte Chef der Stadtverwaltung Felix Lapin für Königsberg stimmen, hält Gouverneur Nikolaj Zukanow sich bedeckt. Die Frage könne nur durch ein Referendum entschieden werden, sagte er.
Umbenennungs-Gegner schüren gerne die Ängste der Bürger vor einer Rückkehr der Deutschen nach dem Motto „Heute geben wir ihnen den Namen, morgen das Land selbst.“ Einer, der auf dieser Populismuswelle reitet, ist der Duma-Abgeordnete Oleg Schlyk, der nicht müde wird, seine politischen Gegner zu diskreditieren.
Vor zwei Jahren wurde das sogenannte „Entstalinisierungsprogramm“ auf gesamtstaatlicher Ebene ins Leben gerufen, das eine Absage an die Erwähnung von Namen der an stalinistischen Repressionen Beteiligten beinhaltet. Dazu gehört zweifelsfrei auch der Name Michail Kalinins. Während andernorts bereits Städte ihre alten Namen wiederbekommen haben – Kalinin heißt heute Twer, Kujbyschew Samara, Swerdlowsk Jekaterinburg und Stalingrad wieder Wolgograd –, hat bislang niemand ernsthaft gewagt, Königsberg seinen Namen zu­rück­zugeben.
Früher oder später könnte es jedoch ein Referendum über eine Umbenennung geben. Das heißt jedoch nicht, dass Königsberg unbedingt seinen historischen Namen wieder erhält. Es gibt Vorschläge wie „Kantgrad“, „Knjaschgrad“ (Fürst-Stadt) oder auch die Doppelbezeichnung „Kaliningrad-Königsberg“. Viele halten das Wort „Kaliningrad“ in der russischen Sprache für schön klingend. Juristisch ist es so, dass die Umbenennung von Hauptstädten oder Verwaltungszentren nur unter Mitwirkung der Zentralmacht in Moskau erfolgen kann.
Bei den Diskussionen geht es auch um die Frage, wieviel von dem Geiste des alten Königsbergs in den wenigen noch erhaltenen architektonischen Denkmälern geblieben ist. In den vergangenen Jahren wurden einige große historische Objekte restauriert, darunter der Königsberger Dom sowie das Königs- und das Friedrichsburger Tor. Auch wird das Fischdorf in Anlehnung an den Stil der Hanse gebaut. Aber gleichzeitig verändert sich die historische Landschaft der Stadt enorm. Für Neubauten verschwinden die Reste des alten Königsberg. Von dem alten Königsberg ist äußerst wenig erhalten. Ein Umstand, der eine Rückbenennung wenig wahrscheinlich macht.  - Jurij Tschernyschew/MRK

Quelle:
Preußische Allgemeine Zeitung / Das Ostpreußenblatt Ausgabe 08/13, 23.02.2013;

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