ZUERST! – Deutsches Nachrichtenmagazin (Ausgabe Februar/März 2014)
Zurück zu den deutschen Wurzeln der Ostsee-Stadt: Preußisch-Russische Parade in Königsberg
Junge Russen bekämpfen sowjetische Hinterlassenschaften und nehmen die deutsche Geschichte Ostpreußens anNachdem 1990 Nord-Ostpreußen den Status eines militärischen Sperrgebietes verloren und sich nach außen zumindest teilweise geöffnet hatte, waren die Hoffnungen vieler Deutscher auf eine strahlende Zukunft des Königsberger Gebietes groß. Von diesen Hoffnungen sind leider nicht viele in Erfüllung gegangen. Das Gebiet ist nach wie vor innerhalb Europas als russische Insel isoliert, die wirtschaftliche Lage desolat, eine Aufbruchstimmung ist nur schwer erkennbar. Dennoch scheint sich vor allem in der Pregelmetropole etwas zu entwickeln.
Es sind vor allem junge Russen, die die deutsche Geschichte Ostpreußens für sich entdecken, die Mythen der sowjetischen Propaganda hinterfragen und nicht mehr akzeptieren wollen. So nehmen die heutigen Bewohner langsam die deutsche Geschichte der Region an und sehen die deutsche Kulturlandschaft mit anderen Augen als vorherige Generationen.
Seit einigen Jahren schon fallen beispielsweise Autokennzeichen mit dem Zusatz „Königsberg“ auf. Unter den Jugendlichen der Stadt ist ohnehin nicht mehr von Kaliningrad, sondern stets nur von Königsberg bzw. einfach nur kurz „König“ die Rede. Es sind kleine, schleichende Veränderungen, die oft erst auf den zweiten Blick sichtbar werden. Dennoch spiegelt sich darin eine sich wandelnde Geisteshaltung wider, die öffentlich zur Schau gestellt wird.
Eine Abstimmung zur Rückbenennung Königsbergs könnte noch in diesem Jahr stattfinden.
Rustam Vasiliev geht noch einen Schritt weiter. „Selbstverständlich ist das hier Preußen und nicht eine Oblast Kaliningrad“, sagt der junge Russe entschlossen. Er ist führender Kopf einerRussischer Regionalist mit Ostpreußen-Fahne: Rustam Vasiliev will, daß Kaliningrad wieder Königsberg heißt.
Bewegung, die seit einigen Jahren in der Hauptstadt der Provinz klare politische Forderungen stellt. Zu diesen gehören weitgehende Autonomie von Moskau und eine Öffnung der Region nach außen. Für die Nachkommen der vertriebenen Deutschen sollen Rahmenbedingungen zur Rückkehr geschaffen werden. Die Zusammenarbeit von Deutschen und Russen soll in Nord-Ostpreußen zu einer gemeinsamen, lebenswerten Zukunft führen. Darüber hinaus wünschen sich die Anhänger der Bewegung eine Rückbenennung der Städte, Dörfer und Straßen in ihre deutschen Ursprungsnamen. Den Anstoß dazu soll die Rückbenennung der größten Stadt der Region geben. Wenn erst einmal wieder der Name Königsberg etabliert sei, würden die anderen Städte nachziehen, hoffen die Aktivisten. Ohnehin sei die Existenz einer Stadt mit dem Namen „Kaliningrad“ ein absoluter Skandal im Jahr 2013, schließlich sei Kalinin ein sowjetischer Massenmörder gewesen, erklärt Vasiliev.Doch bilden die Kommunisten die zweitstärkste Kraft in der Stadtduma, und auch die Veteranenverbände haben einen nicht zu unterschätzenden Einfluß. Von den staatlichen Repräsentanten gibt es bisher keinerlei ernsthafte Vorstöße, daher sind die Königsberger selbst tätig geworden. Sie sammelten Unterschriften und brachten das Thema somit auf die Agenda der Politik. Diese muß nun handeln. Da es bisher kein Gesetz gibt, das eine Abstimmung zur Rückbenennung zuläßt, wird ein solches momentan von einem Gremium erarbeitet, in welchem ebenfalls Vasiliev vertreten ist. Eine Abstimmung zur Rückbenennung könnte bereits in diesem Jahr stattfinden.
Die Bewegung formiert sich von Anhängern der „Baltisch Republikanischen Partei“. Diese ist vom Kreml schon lange nicht mehr als Partei zugelassen und fungiert daher mehr als Träger der Idee des Regionalismus. Viele Unterstützer sind dagegen in keiner festen Struktur organisiert, ohnehin biete eine solche nur die Gefahr, verboten zu werden. Die Anhänger der preußischen Idee kommen insgesamt aus den verschiedensten gesellschaftlichen und politischen Bereichen. Einen ersten Schritt, die Isolation der Region aufzuheben, konnte mit dem kleinen visafreien Grenzverkehr erreicht werden, der 2012 eingeführt wurde. Dieser ermöglicht es vorerst Einwohnern Nord-Ostpreußens und Teilen Süd-Ostpreußens mit Danzig, ohne Visa den russischen bzw. polnischen Bereich zu bereisen. Dem Beschluß von Moskau, Warschau und der EU ging eine Kampagne von Vasiliev voraus, die diese Idee auf die Tagesordnung brachte.
Die Regionalisten sind zuversichtlich, daß es zur Rückbenennung kommen wird.
Die Provinz Ostpreußen mit ihrer Hauptstadt Königsberg
Um den Forderungen in der Öffentlichkeit Nachdruck zu verleihen, scheuen die jungen Russen nicht davor zurück, auf die Straße zu gehen. So konnte bereits mehrfach eine Preußisch-Russische Parade („Prusskij Parad“) abgehalten werden. Selbst für die Einwohner der Stadt dürfte es ein mehr als ungewöhnliches Bild sein, die vielen Aktivisten mit den Fahnen Ostpreußens, Königsbergs und sogar des Deutschen Ordens durch die Straßen marschieren zu sehen und Märsche wie Preußens Gloria dabei zu hören. In Königsberg sind die Regionalisten auf der Seite Preußens, von Moskau ist man schließlich weit entfernt.Über derlei finanzielle Mittel verfügen die Regionalisten nicht. Dennoch konnten im November 2013 wieder die deutschen Fahnen wehen, durch die Erlaubnis der russischen Nationalen, am hiesigen „Russenmarsch“ zum Tag der Einheit des Volkes teilzunehmen. Alles in allem sind die Regionalisten jedoch zuversichtlich. Immerhin konnten sie dazu beitragen, Ostpreußen zurück in das Gedächtnis der heutigen Einwohner der Stadt zu bringen und junge Leute sogar für die preußische Bewegung zu begeistern.
Sollte die Rückbenennung kurzfristig nicht erfolgen, haben sie sich vorgenommen, vor dem Sitz der FIFA in der Schweiz zu demonstrieren, um die Forderung auch außerhalb der Region öffentlich zu machen. Schließlich wird die Fußball-Weltmeisterschaft 2018 auch in der Hauptstadt Ostpreußens ausgetragen. Unter keinen Umständen allerdings in einer Stadt mit dem Namen Kaliningrad, da sind sich die russischen Königsberg-Anhänger sicher.
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